Warum lesen wir eigentlich so selten in Ausbildungszeitschriften?

Es gibt eine Fülle juristischer Ausbildungszeitschriften, z.B. JUS, JA, JURA, Hamburger Rechtsnotizen… Diese richten sich an Jurastudierende bzw. ReferendarInnen, also an diejenigen, die sich in der Ausbildung befinden. Dabei sind die unterschiedlichen Texte auch auf diesen Personenkreis zugeschnitten: Es gibt Aufsätze, die typische Problemkonstellationen behandeln oder die einen Überblick über (aktuelle) Entwicklungen in einem Themenfeld geben. Außerdem sind Hausarbeiten bzw. Klausuren Bestandteil der Ausbildungszeitschriften, wobei diese nochmal nach Anfänger-, Fortgeschrittenen- und Examensarbeiten differenziert werden. Zusätzlich sind Besprechungen aktueller Urteile und Entscheidungen zu finden, teilweise auch Rezensionen zu Lehrbüchern. Trotzdem kenne ich nur sehr wenige Studierende, die sich bereits im Laufe des Studiums mit Ausbildungszeitschriften beschäftigen – außer sie schreiben gerade eine Hausarbeit.
Im Grund- und Hauptstudium habe ich mich bei der Klausurvorbereitung oder Nachbereitung der Vorlesung ebenfalls nicht mit Ausbildungszeitschriften auseinander gesetzt. Erst im Rahmen der Examensvorbereitung sind sie zum ständigen Begleiter meines Lernens geworden. In meiner Lerngruppe, die sich zweimal wöchentlich für je 3, 5 Std (inkl. 1/2 Std Pause) trifft, arbeiten wir fast ausschließlich mit Ausbildungszeitschriften. Die zuständige Leiterin des jeweiligen Treffens sucht zwei Fallkonstellationen raus, die zwei Tage vor dem Termin per Mail verschickt werden, damit die anderen (zurzeit 3) sich an einer Lösung(sskizze) versuchen können. Dabei greifen wir teilweise auf Fälle aus den Vorlesungs- und AG-Materialien zurück, besonders häufig sind es aber Klausuren aus Ausbildungszeitschriften, die wir bearbeiten. Daran gefällt uns besonders gut, dass wir eine vollständig ausformulierte Lösung haben, die wir bei der Nacharbeit des Falls lesen können. Dadurch prägt sich der Gutachtenstil und die methodische Bearbeitung eines Sachverhalts nochmal ganz anders ein, als wenn es nur eine Skizze gäbe.

Gerade aufgrund dieser Erkenntnis frage ich mich, warum ich nicht schon früher mit Ausbildungszeitschriften gearbeitet habe. Im Nachhinein denke ich, dass es insbesondere für das Anfertigen von Klausuren und Hausarbeiten eine große Hilfe gewesen wäre. Klar, teilweise sind die Texte auch mal nicht so der Hit, eine Lösung ist schwer nachvollziehbar oder etwas unverständlich formuliert bzw. schwammig. Doch gerade diese Erkenntnis finde ich sehr wichtig, weil sie dabei hilft, auch die eigene Schreibweise kritisch zu reflektieren. Wie oft habe ich in der Klausur bei Unsicherheit versucht mittels eines schwammigen Satzes darüber hinwegzutäuschen… Den „Glitzersticker-Trick“ haben meine beste Freundin und ich das immer genannt. Wir haben uns vorgestellt, dass wir solche schwachen Stellen in der Bearbeitung mit einem Glitzersticker überkleben könnten, der die Korrekturleute kurz ablenkt, sodass sie nur den guten Teil der Bearbeitung lesen. Fällt irgendwie auf, wurde mir klar, als ich selbst begann, solche Stellen in Ausbildungszeitschriften auszumachen.
Vielleicht liegt die Zurückhaltung auch daran, dass die einzelnen Zeitschriften ganz verschiedene Themenfelder abdecken und insbesondere für AnfängerInnen und teilweise auch für Fortgeschrittene nur vereinzelte Beiträge der einzelnen Ausgaben interessant sind. Ich würde auch nicht empfehlen, sich sofort eine Ausbildungszeitschrift zu abonnieren. Aber als Ergänzung des Lernens für ausgesuchte Stellen finde ich sie wirklich sinnvoll. Über die Online-Datenbanken lassen sich die Beiträge auch gut und relativ schnell finden. Schon häufiger fand ich die Bearbeitung eines Themas in einem Lehrbuch unverständlich, und ich habe häufig Aufsätze gefunden, die sich konkret mit dem Thema in verständlicher Weise auseinandergesetzt haben. Mal reingucken lohnt sich!